- Literaturnobelpreis 1922: Jacinto Benavente
- Literaturnobelpreis 1922: Jacinto BenaventeDer Spanier erhielt den Nobelpreis für die in glücklicher Form gelungene Weiterführung der glanzvollen Tradition des spanischen Dramas.Jacinto Benavente y Martínez, * Madrid 12. 8. 1866, ✝ Madrid 14. 7. 1954; Chefredakteur der Zeitschrift »La vida literaria« und Mitarbeiter von »La Ilustración española«, ab 1912 Mitglied der Königlich Spanischen Akademie, 1918 Wahl zum Abgeordneten, 1920 Intendant des Spanischen Nationaltheaters, 1947 Ehrenpräsident des Internationalen Schriftsteller- und Komponistenverbands.Würdigung der preisgekrönten LeistungJacinto Benavente war der Sohn eines bekannten Kinderarztes. Er studierte in seiner Heimatstadt Madrid Jura, gab sein Studium jedoch nach dem Tod seines Vaters auf, um ausgiebige Reisen nach Frankreich, England und Russland zu unternehmen. Benavente stand ein beachtliches Erbe zur Verfügung, das ihm diese Reisen ermöglichte. Während dieser Zeit war er unter anderem als Schauspieler und sogar als Zirkusdirektor tätig.Nach seiner Rückkehr nach Spanien arbeitete Benavente für einige Zeitungen und Zeitschriften. Er war Chefredakteur der Zeitschrift »La vida literaria« (»Literarisches Leben«) und Mitarbeiter von »La Ilustración española« und »El imparcial«.Das erste Mal erregte er Aufmerksamkeit mit seinem kritischen Werk »Cartas de mujeres« (spanisch; Briefe von Frauen; 1893), einer Abfolge von Frauenbriefen in Lyrik und Prosa, auf die 1902 eine weitere Serie folgte. Diese Briefe begründeten seinen Ruf als Stilist. Sein erstes Sück, »El nido ajeno« (spanisch; Das fremde Nest), eine Komödie, stieß bei der Premiere noch auf wenig Resonanz. Sein zweites Stück »Gente conocida« (spanisch; Bekannte Leute; 1896) war dagegen bereits ein voller Erfolg. Benaventes literarischer Erfolg sollte von nun an über sechs Jahrzente bis zu seinem Tod im Jahr 1954 anhalten.Im Jahr 1920 wurde er zum Intendanten des »Teatro español«, des Spanischen Nationaltheaters, ernannt. Auf Anregung der Königlich Spanischen Akademie, deren Mitglied er seit 1912 war, erhielt der Dramatiker 1922 den Literaturnobelpreis. Nach der Verleihung reiste Benavente durch zahlreiche Länder Amerikas und stellte dort viele seiner dramatischen Werke vor.Mit dem Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs stand Benavente als Anhänger Francos unter Hausarrest. Seinem internationalen Ansehen war diese Sympathie für die Franco-Diktatur allerdings abträglich.Immense ProduktivitätBenaventes Schaffenskraft war gewaltig, er verfasste um die 170 Theaterstücke, von denen die herausragenden »Der tugendhafte Glücksritter oder Crispín als Meister seines Herrn« (1907), basierend auf der Commedia dell'Arte, »Die gnädige Frau« (1908), »La fuerza bruta« (spanisch; Die rohe Gewalt; 1908) und »Verbotene Liebe« (1913) sind.Mit »Der tugendhafte Glücksritter oder Crispín als Meister seines Herrn« gelang Benavente ein großer Erfolg. Die Handlung ist im Italien der Commedia dell'Arte angesiedelt, aus der auch die Namen und verschiedene Charaktere entnommen sind.Leandro, ein glückloser Jüngling, wäre dem sicheren Untergang geweiht, hätte er nicht Crispín, einen aufgeweckten und vorausschauenden Diener, der in der umfangreichen Tradition der Diener in der Literatur als einer der gerissensten gelten kann. Seine sorglose Denkweise stellt dieser Crispín vollständig in den Dienst seines Herrn — den er in gewissem Sinne selbst geschaffen hat. So gibt er Leandro als einen großen Edelmann aus, der gern Inkognito bleibt, und schafft es, Leandro mit der einzigen Tochter Polichinellas — dem reichsten Mann in der Stadt und ehemaliger Gefängniskumpan Crispíns — zu vermählen. Leandro willigt resigniert ein, das Mädchen jedoch droht in letzter Minute, die Hochzeit platzen zu lassen.Die Handlung ist geschickt aufgebaut und die Charaktere lassen bald ihre konventionelle Natur vergessen. Immer wieder streut Benavente sozialsatirische Anklänge in sein Werk, doch bleiben sie so leise, dass die Komödie ihre poetischen Züge bewahrt.In diesem wie auch in anderen Werken zeigt Benavente eine pessimistische Weltsicht, eine aristokratische Skepsis, die niemals mit Geschmacklosigkeiten aufwartet und auch nicht die Grenzen der Eleganz überschreitet.Das Stück »Die gnädige Frau« spielt in einem Dorf nahe Toledo, der Heimat von Feliciano, einem dörflichen Don Juan, und seiner Frau Dominica. Ihre Ehe steht aufgrund der Untreue Felicianos wiederholt kurz vor dem Scheitern, aber Dominica bleibt an seiner Seite, in der Hoffnung auf ein gemeinsames Kind. Sie verehrt ihren launischen Ehemann und empfindet zunächst sogar für die unehelichen Kinder Felicianos wahre Liebe.Doch als Feliciano auch vor ihrer Schwester nicht Halt macht, ändert sich Dominica von Grund auf. Sie erträgt die Kinder der anderen Frauen nicht mehr und entscheidet sich, Feliciano seine Seitensprünge nicht länger zu vergeben, sondern ihn zur Rede zu stellen. Sie wird Mutter sein und erwartet einen Erben, der alle Besitztümer — Ländereien Kleidung und Schmuck, den sie bisher großzügig verschenkte — bekommen soll. Das Stück endet mit dem Versprechen Felicianos, Dominica treu zu sein. Das Werk ist ein dramatisches, ländliches Gedicht von außerordentlicher suggestiver Kraft und eigentümlicher Schönheit.Benaventes Drama »Verbotene Liebe« thematisiert die Liebe zwischen Stieftochter und Stiefvater. Benavente verlässt dabei seinen gewohnten Stil und benutzt eine expressive Direktheit, die den dramatischen Charakter des Werks vertieft. Das in dunklem Ton geschriebene Drama verknüpft sich mit dem Realismus der ersten Werke Benaventes und bedeutet gleichzeitig eine Reaktion auf ein gekünsteltes romantisches Theater, das damals in Spanien eine gewisse Akzeptanz vorfand.Benavente hat den Grundstein für das moderne spanische Theater gelegt. Er ist vor allem ein Dramatiker für jenen Teil des bürgerlichen Publikums, dem ein anzüglicher, hämischer Ton gefällt, der das Schrille jedoch ablehnt. Die Sätze seiner dramatischen Werke sind elegant und von ausgefeilter Rhetorik. Dazu passt auch die häufige Verwendung der Technik der »Eskamotage«, bei der der Zuschauer von vielen Ereignissen erst indirekt in Berichten und Dialogen erfährt.Auch ein weiteres Tätigkeitsfeld Benaventes soll hier nicht unerwähnt bleiben, das Kindertheater. Seine bekanntesten Werke in diesem Bereich sind: »El príncipe que todo lo aprendió en los libros« (spanisch ; Der Prinz, der alles aus Büchern lernte), »La novia de nieve« (spanisch; Die Schneebraut), »La cenicienta« (spanisch; Das Aschenputtel). Sie sind mit seinen gesammelten Werken 1940 erstmalig erschienen.Der außerordentliche Wert Benaventes für das spanische Theater ist heute allgemein anerkannt. Er gilt als Begründer des modernen spanischen Theaters, das er bis in die 1950er-Jahre hinein maßgeblich beeinflusste.N. Martos-Pilgrim
Universal-Lexikon. 2012.